Kniebeuge, warum eigentlich?

Die Kniebeuge oder auch „Squat“ genannt, gilt als eine der „Königsübungen“ des Krafttrainings und das nicht ohne Grund. Mit dieser komplexen Grundübung werden alle Muskeln gekräftigt, die den Menschen zum aufrechten Gang befähigen und somit zum „Homo Erectus“ machen. Die bei der Kniebeuge trainierte Muskulatur ist grundlegend für die Statik beim Stehen und Gehen erforderlich und unverzichtbar in einem aktiven Alltag. Da ein effizient durchgeführtes Krafttraining nicht nur, wie es im Bodybuilding der Fall ist, Muskeln, sondern ganze Bewegungen trainiert, ist es verständlich, dass dafür ganze „Muskelketten“ oder auch „Muskelschlingen“ benötigt werden.

Im Falle der Kniebeuge besteht diese Muskulatur aus den Oberschenkelstreckern (Musculus quadriceps femoris, Musculus sartorius), den Oberschenkelbeuger (M. biceps femoris, M. semitendinosus, M semimembranosus) sowie den verschiedenen Adduktoren auf der Oberschenkelinnenseite. Als Hüftstrecker arbeiten unser sogenanntes „Sitzfleisch“, der große Gesäßmuskel (M. gluteus maximus) und im Rücken der Rückenstrecker (M. erector spinae).

Die richtige Ausführung der Kniebeuge

In meiner täglichen Arbeit höre ich oft von Kunden als auch von anderen Trainern, man dürfe den Squat unter keinen Umständen tiefer als 90 Grad durchführen, da dies schlecht für das Kniegelenk sei. Aber ist dem wirklich so? Nein, ist es nicht. Die Statistik in Kraftsportarten, wie Gewichtheben und Powerlifting, als auch die Biomechanik zeigen, dass sogar das Gegenteil der Fall ist. Wird eine Kniebeuge bei einem Kniegelenkswinkel von 90 Grad abgebremst, ist dies für das Kniegelenk belastender als die tiefe Kniebeuge, da die Scherkräfte auf dem Gelenk um ein Vielfaches höher sind.

Natürlich ist die tiefe Kniebeuge keine wirkliche Hocke, da in diesem Fall durch das Anspannen des Rückenstreckers der Rücken bewusst lordosiert (Bildung eines Hohlkreuz) wird. Zudem wird das Gesäß nicht einfach nur nach unten, sondern ganz gezielt nach hinten bewegt. Somit wird der Druck auf dem Kniegelenk maßgeblich verringert. Hierzu ist der Großteil des Gewichtes möglichst die ganze Zeit über auf den Fersen zu belassen. Ein Auf- und Abbewegen der Zehen sollte möglich sein. Ein „Hinhocken“ ist eine ganz natürliche Bewegung (siehe Kinder oder Naturvölker wie z. B. Indonesier, die oft stundenlang irgendwo hocken), die dem gesunden Kniegelenk nicht schadet.

Beim rechten Winkel im Kniegelenk, also 90 Grad zwischen Ober- und Unterschenkel, hat der Lasthebel (Oberschenkel) mit dem Widerstand (Körpergewicht plus Hantelgewicht) den größten Abstand zum Drehpunkt (Kniegelenk) und dadurch das größte Drehmoment.

In dieser Position besteht die größtmögliche Kniebelastung, vor allem beim Aufrichten des Körpers und somit Strecken des Beins aus dieser Position heraus. Startet man die Bewegung jedoch aus einer tieferen Position heraus, wird der „gefährliche“ 90°-Winkel quasi „im Vorbeigehen“ passiert. Das Kniegelenk, in erster Linie der Gelenksknorpel sowie die Minisci und das vordere Kreuzband, sind somit geringeren Zug- bzw. Druckbelastungen ausgesetzt.

Eine mögliche Variante der Kniebeuge

Auch bei dem sogenannten Box-Squat ist auf diesen Aspekt zu achten. Hier sollte die Box eine Squatposition ermöglichen, die einen tieferen Kniewinkel als eine 90 Grad Beugung zulässt. Wenn bei rechtwinkeligem Kniegelenk aus dem „oberschenkelentspannten“ Sitzen heraus gedrückt wird, kommt es zu einer kurzen aber hohen initialen Kniebelastung. Die beste Methode, die tiefe Kniebeuge in jedem Alter ins Krafttraining einzubinden und zu erlernen, ist die eben schon erwähnte „Boxbeuge“ (Box-Squat). Dabei setzt man sich auf eine Kiste oder flache Bank, indem man das Gesäß bewusst so weit nach hinten führt, dass die Unterschenkel senkrecht stehen bleiben. Während die Bogenspannung im Rücken immer aufrecht erhalten wird, baut man nach dem Hinsetzen die Muskelspannung in Gesäß und Oberschenkel neu auf und steht möglichst explosiv auf.

Hier die Punkte, die bei der Ausführung der Kniebeuge zu beachten sind:

• Stand der Füße ist etwas mehr als schulterbreit, der Körperschwerpunkt ruht auf der ganzen Fußsohle und niemals auf dem Vorfuß
• die Fußspitzen zeigen in die gleiche Richtung wie die Knie, klingt komisch, ist aber so!
• der Blick ist, wie immer im Krafttraining, geradeaus gerichtet
• die Hantelstange liegt nicht auf dem 7. Halswirbel, sondern darunter auf dem Kapuzenmuskel (M. Trapezius)
• LWS-Lordosierung (ein „Hohlkreuz“) ist erwünscht, ganzer Rücken wird immer in „Bogenspannung“ gehalten, auch der Bauch wird angespannt
• die Abwärtsbewegung wird mit dem Gesäß eingeleitet, welches nicht nur nach unten, sondern auch bewusst nach hinten geführt wird
• auf diese Weise bleiben die Unterschenkel so senkrecht wie möglich (die Knie dürfen natürlich über die Fußspitze ragen)
• die Knie werden bewusst nach außen gedrückt, als ob man eine unter den Fußsohlen liegende Zeitung zerreißen möchte
• die Beugung erfolgt so weit, bis das Hüftgelenk etwas tiefer als das Kniegelenk ist (Oberschenkel sollen zumindest parallel zum Boden sein)
• durch die Neigung des Oberkörpers (je nach Widerstand = Hantelgewicht) wird der Körperschwerpunkt stabilisiert (verhindert ein “Umkippen“)
• die Aufwärtsbewegung wird mit dem Kopf (nicht mit dem Gesäß!) nach oben eingeleitet

QUELLEN:

www.dr-moosburger.at/pub/pub036.pdf
Feldmeier, C. (1988). Grundlagen der Sporttraumatologie. München: Zenon-Medizin-Verlag.
Weineck, J. (2008). Sportanatomie. Balingen: Spitta Verlag.

http://www.deepsquatter.com/strength/archives/ls9.htm
http://www.powerlifting-ipf.com/Powerlifting%20Injury%20Study.pdf
http://homepages.uni-regensburg.de/~lea22257/biomechanik/Kniebeuge.pdf